Monatsspruch September 

Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? 

                                                       Jeremia 23,23

 

„Vom Anfang bis zum Ende hält Gott seine Hände über mir und über dir. Ja, er hat es versprochen…“ So erinnern wir uns gegenseitig singend an das Versprechen, das Gott an vielen Stellen der Bibel gibt. Der Monat September steht nun unter einem Prophetenwort, das hinter diesen Glauben ein Fragezeichen setzt und von Gottesferne spricht. Was fangen wir damit an?

Wir könnten sagen: „Das ist Altes Testament, das gilt nicht.“ Aber: Dass Gott seine Hände über uns hält, ist auch alttestamentlich. Warum beziehen wir das eine auf uns, das andere nicht?

Wir könnten auch sagen: „Ja, Gott ist manchmal fern. Aber in Jesus ist er uns immer nahe. Er kehrt sich von uns, wenn wir sündigen. Und weil Jesus uns vergibt, ist er uns dann doch wieder nah.“ Aber es gibt nicht nur zärtliche Jesusworte, sondern auch ziemlich harte. 

Was nun? Ich denke so: Wir Menschen neigen immer wieder zu Extremen. 

  • Das eine Extrem ist die Heilssicherheit: „Gott ist bei mir, egal was ich tue. Also kann ich machen, was ich will.“ 
  • Das andere Extrem ist die Heilsunsicherheit: „Ich sehe Gott nicht, habe Angst vor ihm, erst recht, wenn ich was falsch mache.“ Oder: „Ich weiß gar nicht, ob er da ist, ob er für mich da ist, ob er mich liebhat.“ Oder: „Ich habe das Gefühl, er ist mir so fern.“ 
  • Ein drittes Extrem ist die Heilsgleichgültigkeit: „Gott, Glaube, Kirche ist für mich weit weg – und ich lebe trotzdem und mache mein Ding.“ 

Diese Extreme gleichen sich dadurch, dass sie an Beziehungsarmut leiden. Eine Beziehung geht kaputt, wenn ich glaube, ich hätte den anderen in der Tasche, oder wenn ich vor ihm oder ihr Angst habe oder wenn sie oder er mir eigentlich egal ist. So ist es auch mit dem Glauben.

Der Prophet ruft uns aus den Extremen heraus in den Glauben hinein. Damit macht er den Glauben spannend – wie ein Trampolin, bei dem sich die Federn ausdehnen und zusammenziehen, bei dem es hochgeht und runter, das mich schleudert und auffängt, das mich in Spannung versetzt und in höchste Aufmerksamkeit. Wie eben eine spannende Liebesbeziehung. So ruft uns der Prophet in die Heilsgewissheit hinein als ein Geschenk Gottes, das uns von kalten Extremen freimacht.

Der Jude Schalom ben Chorin drückt seine Beziehung zu Gott in einem Gebet aus: „Und suchst du meine Sünde, flieh ich von dir zu dir, Ursprung, in den ich münde, du fern und nah bei mir.“ (Gesangbuch 237,1). Ein Gebet, das dem Prophetenwort entspricht und das ich gerne nachsprechen möchte.


Pfarrer Reiner Braun, Dautphe